Klaus-Peter Kossakowski: Computer-Würmer

 

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1.2.1 Systemanomalien erster Art

Ein anomales Verhalten von System-Komponenten kann durch eine Vielzahl von Faktoren verursacht werden. Insoweit die beabsichtigte und spezifizierte Funktion einer Komponenten nicht durch Ergänzungen verändert oder diese insgesamt ersetzt wird, handelt es sich um Systemanomalien erster Art. Ursache für anomales Verhalten sind Handlungen von Menschen, Auswirkungen von Systemanomalien oder aber Umwelteinflüsse, die während der Entwicklung, der Distribution und des Betriebs auf das System oder einzelne Komponenten verändernd oder störend einwirken können. Als Handlungen von Menschen sind sowohl beabsichtigte und vorsätzlich erfolgende Handlungen als auch die Folgen fahrlässiger Handlungen zu berücksichtigen. Auch ohne Mitwissen der für die Handlungen direkt verantwortlichen Menschen und ohne ein Bewußtsein für ein bestehendes Risiko können Veränderungen hervorgerufen werden; Vorsatz und Fahrlässigkeit sind in diesem Fall nicht gegeben. Eine vorsätzliche Manipulation kann beispielsweise in der falschen Initialisierung einer Variablen gesehen werden, wenn damit ein Ziel verfolgt wird. Kommt es zu einer falschen Initialisierung, weil der Programmierer die Unterschiede zwischen zwei Programmiersprachen nicht berücksichtigt (z. B. C und PASCAL), handelt es sich um ein als fahrlässig einzustufendes Versagen. Führt ein Benutzer eine Programmgenerierung durch, werden dabei üblicherweise verschiedene Bibliotheken verwendet. Wenn ein Operateur Änderungen an einer Systembibliothek vorgenommen und dabei einen Programmierfehler verursacht hat, wird dieser Fehler bei der Generierung Bestandteil des neuen Programms.

Die Existenz von Systemanomalien beliebiger Art kann in einem System zu unvorhersehbaren Auswirkungen führen. Veränderungen des Systems und die Beeinflussung der Komponenten und ihrer Funktion gehören dazu. Beispielsweise kann die Schadensfunktion eines Computer-Virus in der Änderung eines zufällig ausgewählten Datums eines Programms bestehen. Auch einfache Programmierfehler in einem Compiler können zu einem fehlerhaften Verhalten der mit diesem Entwicklungswerkzeug generierten Programme führen.

Umwelteinflüsse sind als Auswirkungen einer höheren Gewalt zu betrachten. Solche Einflüsse sind unter anderem für Übertragungsfehler bei der Datenfernübertragung verantwortlich. Ihr Einfluß ist nicht deterministisch und hängt von der Umgebung der betroffenen Systeme ab. Werden zum Beispiel die Temperaturgrenze für den Betrieb eines Prozessors überschritten, können sich die Leitungseigenschaften verändern und damit auch die Funktion; fehlerhafte Ergebnisse sind nicht auszuschließen. Dabei sind auch Materialschäden zu berücksichtigen.

Diese erste Art von Systemanomalien ist so alt wie die Rechnersysteme selbst, bereits in den 1940er Jahren wurde für Fehler der Begriff Bug geprägt. [Fußnote 1] Die meisten Vorfälle sind dieser Kategorie zuzuordnen. Sie reichen von einfachen Fehlfunktionen bis hin zu Vorfällen, die den Tod von Menschen zur Folge hatten.

Den Handlungen von Menschen kommt eine große Bedeutung zu, da es Menschen sind, die Systeme konzipieren, entwickeln, betreiben und warten. Auch ohne Vorsatz tritt nach Expertenschätzungen selbst bei guten Entwicklern pro 5.000 Bytes ein (ernster) Programmierfehler auf [Brunnstein 1989, S. 16]. Die Komplexität heutiger Systeme erschwert die Entwicklung und begünstigt so Programmierfehler. Sie trägt auch dazu bei, daß eine Beurteilung der Angemessenheit des Systemverhaltens durch die Mehrzahl der Benutzer nicht mehr möglich ist. Bereits durch minimale Manipulationen oder Bedienfehler ist die Funktion eines solchen komplexen Systems gefährdet, da ein Benutzer im allgemeinen dem System - und damit dessen Verhalten - nicht kritisch oder nicht kritisch genug gegenüber steht.

Immer bedeutender werden die Auswirkungen von Systemanomalien, die die betroffenen Systeme manipulieren. Die möglichen Folgen reichen von der Zerstörung von Informationen bis hin zu schwer zu entdeckenden Veränderungen, welche die im allgemeinen nicht überprüften (oder oft gar nicht mehr überprüfbaren) Ergebnisse der Verarbeitung verfälschen.

Umwelteinflüsse jeglicher Art führen entweder durch den Ausfall oder die Veränderung von Komponenten und ihrer Funktion immer wieder zu Störungen. Da sich solche Einflüsse der direkten Kontrolle durch den Menschen entziehen, müssen technische Konzepte eingesetzt werden, um Störungen und ihren Auswirkungen entgegenzuwirken. Ein allgemein bekanntes Beispiel dafür sind die Übertragungsfehler bei der Datenfernübertragung; bereits Materialschäden einer einzigen Speicherzelle können enorme Folgen haben. [Fußnote 2]

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Fußnoten:

  1. Eine tote Motte führte zu einer Fehlfunktion eines Signalrelais des MARK I. C.M. Hopper nach [Rochester, Gantz 1984, S. 89].
  2. Es ist ein Vorfall innerhalb des ARPANet dokumentiert, bei dem ein solcher Fehler im Speicher eines IMP zu einer Veränderung der Routing Table führte [Moravec 1990, S. 185]. Die Umkehrung des Vorzeichnens veranlaßte alle über diese 'beste' Route informierten IMPs, ihre Datagramme an diesen IMP zu schicken. Der Kollaps des betroffenen IMPs brachte die Funktion des gesamten Netzwerks zum Erliegen.

Literaturangaben:

  1. [Brunnstein 1989]: Computer-Viren-Report : Gefahren - Wirkung - Aufbau - Früherkennung - Vorsorge / Brunnstein, K. - 1. Aufl. - Planegg/München: Wirtschaft, Recht und Steuern, 1989.
  2. [Rochester, Gantz 1984]: Der nackte Computer : Für Laien und Fachleute, Kritiker und Enthusiasten / Rochester, J. B.; Gantz, J. - Köln: DuMont, 1984.
  3. [Moravec 1990]: Mind Children: der Wettlauf zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz / Moravec, H. - Hamburg: Hoffmann und Campe, 1990.

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